Moderne Sklaverei auf der Autobahn
Aus gegebenem Anlass widmen wir unsere Kolumne in dieser Ausgabe den streikenden LKW-Fahrern auf der A5-Raststätte in Gräfenhausen (Südhessen). In Österreich wird darüber leider kaum berichtet.
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr streiken zahlreiche LKW-Fahrer, die im Auftrag des polnischen Spediteurs Lukasz Mazur unterwegs sind, auf der erwähnten deutschen Raststätte, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Wie in diversen deutschen Medien zu lesen ist, haben sie seit Monaten keine Lohnzahlungen mehr erhalten und werden stattdessen mit Ausreden hingehalten und vertröstet.
Nach dem ersten Streik im April habe der angeklagte Spediteur zunächst versucht, die LKWs mit Gewalt zu kapern, was die hessische Polizei zu verhindern wusste. Dann habe er doch eingelenkt und den Fahrern ihre ausstehenden Löhne ausbezahlt. Die Lage wurde danach offensichtlich nicht besser. Im zweiten Streik beklagen die großteils neuen Fahrer – die vom ersten Streik hatten mehrheitlich anschließend gekündigt – die gleichen Missstände. Man könnte meinen, dass die Ausbeutung von Fahrern bei der Mazur-Gruppe ein Geschäftsmodell sei. Der Spediteur schulde den streikenden Fahrern insgesamt angeblich mehr als eine halbe Million Euro. Diesmal habe der Unternehmer, wie es heißt, die Fahrer wegen Nötigung geklagt, allerdings sollen inzwischen gegen ihn selbst Bußgelder verhängt worden sein.
Die ca. 1000 LKWs des Mazur-Konzerns fahren auch Waren für deutsche Unternehmen, die allesamt Normen zur Sicherstellung der Arbeitnehmerrechte unterzeichnet haben. Wie es scheint, hat diese Tatsache auf die Lage der betroffenen LKW-Fahrer wenig Auswirkungen.
Über ein besonders drastisches Beispiel wird auf eurotransport.de berichtet. Ein Fahrer aus einem Drittland interessierte sich für einen Job, bei dem er angeblich etwa 2400 Euro im Monat verdienen könne. Um sich jedoch bei seinem zukünftigen Arbeitgeber vorstellen zu können, musste er vorab etwa 1000 Euro Vermittlungsgebühr bezahlen. Weitere rund 1230 Euro wurden dann noch für ein polnisches Visum und notwendige Dokumente fällig. Von August bis Oktober 2022 verdiente der besagte Fahrer zwischen 120 und 286 Euro im Monat. Für 2023 gab es neue Stundensätze, die angeblich auf Basis von Fahrerkarte und Bankkonto errechnet wurden. Das ergab für den Fahrer von Februar bis Mai 2023 zwischen 1,45 und 3,59 pro Stunde. Als Sahnehäubchen wurden dem Fahrer im Falle von Straßenkontrollen verhängte Bußgelder im Nachhinein durch seinen Arbeitgeber wieder vom Lohn abgezogen. Weitere Erklärungen erübrigen sich hier.
Es ist unbegreiflich und eine Schande, dass solche Zustände in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich sind. Offensichtlich gibt es immer noch „rechtliche Schlupflöcher“, die von skrupellosen Unternehmen gefunden und ausgenutzt werden. Wie lange müssen wir noch warten, bis sich die Politik endlich einmal den „richtigen Problemen“ zuwendet?