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Corona und die Zeit danach: Erschwernisse im Alltag von LKW-Fahrern und -Fahrerinnen

Seit der Firmengründung im Jahr 2013 betreuen wir, das Team von Arno Pirchner, eine mittlerweile große Anzahl von Transportunternehmen, die sowohl im nationalen als auch im internationalen Güterverkehr tätig sind. Dabei fungieren wir auch als Ansprechpartner für die LKW-Fahrer unserer Kunden.

Gerade in Zeiten von Covid-19 berichten uns unzählige Fahrer von denselben Umständen bzw. Missständen, die ihnen den beruflichen Alltag erschweren. Als Hauptproblem werden dabei meist die besonders langen Grenzkontrollen und die schwierige Situation auf den Rasthöfen genannt. Als weiterer Punkt wird beklagt, dass in letzter Zeit offenbar osteuropäische, konkret vor allem litauische Transportunternehmen wie Pilze aus dem Boden schießen und deren LKWs regelrecht die Parkplätze überfluten. Die Parkplatzsuche ist dadurch zum Lotteriespiel geworden. Das (ersatzweise) Parken in Industriegebieten ist zudem praktisch untersagt – bei Missachtung drohen hohe Strafen!

Ein LKW-Fahrer eines unserer Kunden berichtete uns, wie er die Lage zur Corona-Zeit in einigen europäischen Ländern erlebt hat, in denen er regelmäßig unterwegs ist. Seine Schilderungen führen im Folgenden vor Augen, wie der Berufskraftfahrer seinen Alltag meistern muss:

Fast an jeder Grenze in Europa kommt es zu Grenzkontrollen. PKWs werden separat kontrolliert, LKWs nur dann, wenn ein dringender Verdacht vorliegt, ansonsten werden diese „durchgewunken“. Die Wartezeiten sind jedoch beträchtlich.

Die Gegebenheiten in den verschiedenen Ländern werden im Folgenden erläutert.

Österreich:

Die sanitären Anlagen sind in den meisten Fällen zugänglich. Auf den Parkplätzen stehen abends die “üblichen Verdächtigen”: Fahrzeuge aus dem osteuropäischen Raum. An den Be- und Entladestellen wird in manchen Firmen der Zugang zu den Verladehallen verwehrt. Die Dokumente, die man für einen Transport bekommt und zuvor selbst abholen musste, werden jetzt vom Büro zum LKW gebracht. Bei den meisten Firmen kann man als Fahrer ohne große Probleme die Toiletten benutzen. Allerdings wird erzählt, dass sich diese Situation in manchen Betrieben verändert hat und die Fahrer eine mobile Toilette benutzen müssen, in der sich aber kein Waschbecken befindet – in Zeiten verschärfter Hygienevorschriften eine eher zweifelhafte Lösung.

Schweiz:

Die Rasthöfe sind frei zugänglich, die Tankstellenshops in der Regel geöffnet, die Restaurants aber geschlossen. Abends parken dort LKWs verschiedener Nationen, sowohl west- als auch osteuropäische Fahrzeuge.

Deutschland:

Sind Restaurant und Tankstellenshop miteinander verbunden, so haben die Fahrer Duschen zur Verfügung, sonst nicht. Dadurch, dass die Restaurants in dieser Zeit geschlossen sind, gibt es in den Shops eine kleine Auswahl verschiedener Schnellgerichte. Kleine Rastplätze verfügen meist nicht über Toiletten. Falls doch, sind diese meistens in einem fürchterlichen Zustand. Auffallend ist die Tatsache, dass manche Rasthöfe offensichtlich als Firmenparkplätze verwendet werden und es sich dabei immer um dieselben Transportunternehmen handelt, die diese Plätze blockieren.

Niederlande:

Auf manchen Rasthöfen ist der Zugang zur Toilette kostenlos, auf manchen muss dafür bezahlt werden. Duschen finden sich auf den Autobahnrasthöfen eher seltener. Die Tankstellenshops sind geöffnet, man bekommt wie in Deutschland auch hier kleine Snacks angeboten. Auch dort stehen recht viele osteuropäische Fahrzeuge. An Be- und Entladestellen gibt es fast immer Zugang zu sanitären Anlagen.

Belgien:

Die Toilettensituation ist hier wie in den Niederlanden. Allerdings gibt es auf Anordnung der Regierung auf Rasthöfen ein “Duschverbot”. Für einen Fahrer absolut unverständlich, da man sich doch öfters die Hände waschen und desinfizieren soll. Warum dann nicht duschen?

Frankreich:

Auf den Rasthöfen bzw. “Routiers” (ähnlich einem Autohof, abseits der Autobahn, meist auf den “Nationalstraßen”) sind die Restaurants geschlossen. Auf den Rasthöfen ist das kein Problem, da man dort Zugang zu den Toiletten hat. Bei den „Routiers“ kann man parken, sonst gibt es dort jedoch nichts – auch keinen Zugang zu sanitären Anlagen.

Die Situation ist durch die Krise auf den Parkplätzen, Rasthöfen und/oder Autohöfen eigentlich überall ähnlich. Was jedoch besonders auffällt, ist die Tatsache, dass sich in jedem der erwähnten Länder osteuropäische Firmen immer breiter machen. Waren es Ende der 90er noch hauptsächlich Firmen aus Polen und Tschechien, kommen sie jetzt vermehrt aus Litauen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Wen wundert es, dass Unternehmen aus Westeuropa in osteuropäische Länder auslagern und die Fahrzeuge aus diesen Ländern in Westeuropa wochenlang zu günstigeren Konditionen fahren lassen?

Mit dieser rhetorischen Frage schließt der Fahrer unseres Kunden seinen Bericht.

Die überfüllten LKW-Parkplätze auf den Raststätten sind ein großes Problem. Prinzipiell ist EU-weit die zweitägige Ruhezeit in der Kabine (mindestens 45 Stunden ohne Unterbrechung) verboten, jedoch kümmert das die Polizei offenbar nicht überall. Darum parken die 40-Tonner auf den Rastplätzen dicht an dicht und haben kaum Kontrollen zu befürchten. Die Polizei wäre natürlich angewiesen, hier zu kontrollieren. Allerdings wird oft wegen „akuter Verständigungsschwierigkeiten“ oder „schlechter Zahlungsmoral“ einfach darüber hinweggesehen, ja gar nicht erst mit Kontrollen begonnen. So hat der Gesetzesbruch leichtes Spiel.

Die Problematik mit den Fahrern aus Osteuropa besteht zudem darin, dass diese in der Regel keine faire Entlohnung oder soziale Absicherung erhalten. Auch werden ihre technische Qualifikation und körperliche Eignung meist nicht überprüft. Nicht selten sind diese Fahrer bis zu 3 Monaten „draußen“, ohne in dieser Zeit einmal zuhause gewesen zu sein.

Aber das Geschäft mit den Fahrern aus Osteuropa boomt, wie man heutzutage ganz einfach im Internet nachlesen kann: Ein litauischer Logistikriese etwa beschäftigt bereits über 10.000 Fahrer und plant, bis 2021 sogar 20.000 LKW-Fahrer unter Vertrag zu haben. Solche Zahlen sprechen für sich.

Zu leiden haben darunter sowohl die west- als auch die osteuropäischen LKW-Fahrer. Es wäre längst an der Zeit, gegen diese Missstände etwas zu unternehmen und dafür zu sorgen, dass diese Menschen, von denen das Funktionieren unserer Wirtschaft tagtäglich abhängig ist, endlich mehr Ansehen, Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen erhalten. Jedem dieser Systemerhalter gebührt Anerkennung, die ihnen jedoch in den wenigsten Fällen entgegengebracht wird. Hier besteht dringend Handlungsbedarf!